TSV 1859 Wehrsdorf e.V.

„Das ist wie 10.000 Meter laufen und dabei Schach spielen.“
(Karin Schmalfeld, Silbermedaille World Games 2005)

Mit dicht bewaldeten Höhen, die mehr Hügel sind als Berge, empfängt der Taunus seine Besucher, sobald er Frankfurt hinter sich gelassen hat. So spät im September färben sich seine Flanken im Licht der untergehenden Sonne schnell dunkler und dunkler. Bald liegt er nur noch als schwarzer, geschwungener Streifen am westlichen Horizont.

Unser Ziel Kelkheim ist eine typische, wenn auch nicht besonders schöne, deutsche Kleinstadt. Unsere Unterkunft, das Waldhotel, ist ein kleines und feines Haus am Rande der Stadt mit einem atemberaubenden Blick auf die hell erleuchtete Skyline von Mainhatten. Das Einchecken verlief dank diverser elektronischer Raffinessen auch ohne Personal reibungslos. Nach fünf Stunden Fahrt stand die restliche Abendgestaltung schnell fest – die dringend benötigten Proteine und Kohlenhydrate für die Anstrengungen der beiden kommenden Tage bekamen wir nach kurzer Suche in einer Sportbar, die beides in ausreichender Menge und in ausgezeichneter Qualität zur Verfügung stellte. Zusätzlich wurde uns auf unzähligen Bildschirmen eine gar seltsame Randsportart vorgestellt bei der das Geld offenbar so knapp ist, dass sich 22 schöne, Jünglinge mit topgestylten Haaren nur einen einzigen Ball teilen müssen. Entsprechend groß war der Streit um die Kugel. Davon abgesehen, drehten sich die Gespräche ohnehin nur um Posten, Routenwahl, Schuhwerk und die Sorge, nicht ausreichend trainiert zu haben.

Der Samstag begann mit einem wunderbaren Sonnenaufgang. Glücklicherweise hatten die Betreiber des Hotels den Frühstücksraum in einem Wintergarten auf der Sonnenseite des Hause untergebracht. Speisen, Getränke und Zeit waren in ausreichendem Maß vorhanden. Außerdem auch Gesprächspartner, denn außer uns Wehrsdorfern hatte es noch Heinmanns und eine kleine Planeta-Abordnung in das Hotel verschlagen. Mit optimal gefüllten Koffeindepots brachte uns Cathleen das kurze Stück nach Hofheim-Langenhain. Dort befindet sich das europäische Andachtshaus einer Religionsgemeinschaft, die sich Baha’í nennt. Wobei der Begriff „Andachtshaus“ wohl eher an eine kleine windschiefe Holzhütte denkt und nicht an einen 20 Meter hohen Tempel aus Glas und Beton. Wenn ich alles recht verstanden habe, gehen die Anhänger des Baha´ísmus davon aus, dass alle großen Weltreligionen letztlich auf einen einzigen Gott zurückgehen dessen Lehren von unterschiedlichen Gottesoffenbarern an die Menschheit überbracht wurden. Wer mehr dazu erfahren möchte, kann sich unter www.bahai.de informieren. Gern hätten wir unserer Vereinszelt aufgebaut, aber leider waren die Heringe abhanden gekommen. Kurz haben wir überlegt, von den anderen Zelten je einen zu klauen, den Gedanken wegen des Superwetters aber schnell als unsportlich und ungezogen wieder verworfen. Der Schuldige war schnell ausgemacht: Wer übernimmt ist für Vollständigkeit verantwortlich und muss sich daher eine gerechte Strafe für sich ausdenken.

Soviel zum Umfeld der Deutschen Meisterschaft, jetzt zu dem wirklich wichtigen: den Läufen. Ein Blick in den Wald links und rechts der Zielwiese verhieß Superbedingungen. Die Hänge sanft abfallend, kaum Unterwuchs, lichte Wälder aus Buchen und Eichen, der Boden dick mit Laub gepolstert. Hier und da lugte bei angenehmen Lauftemperaturen ein Sonnenstrahl durch das dichte Laubdach. Alles wirkte weich und freundlich. Der Wald lächelte uns einladend an. Seinen wahren Charakter offenbarte das Gelände erst, wenn man mit ihm allein war, also so ab Posten drei oder vier. Dort fielen die Hänge dann nahezu senkrecht ab in ungeahnte, finstere Tiefen und stiegen auf der anderen Seite genauso steil wieder an. Unter dem Laub verbargen sich abgestorbene Äste und lose Steine. Überall lagen umgefallene Bäume, die nur darauf lauerten, dem arglosen Läufer die Beine zu zerkratzen und die Bänder zu dehnen. Die H-45-Strecke war interessant gelegt. Sehr lange Passagen wechselten mit kürzeren Teilstücken. Gespickt war sie mit reichlich Höhenmetern. Schön war, dass die Geländeformen und Objekte recht gut im Wald zu erkennen waren. Geschickt waren die Postenstandorte so gewählt, dass kein Schirm schon von Weitem erkennbar war. Man musste also wirklich das Objekt im Wald finden. Als herausfordernd empfand ich die vielen Wege, die zum Teil parallel zueinander auf verschiedenen Höhen um die Berge herum liefen. So war höchste Konzentration bis zum Schluss gefordert. Der Zieleinlauf war so angelegt, dass man eine leicht abfallende Pflichtstrecke zu absolvieren hatte, in der sich die Athleten dem begeisterten Publikum zum Schluss noch einmal extrem dynamisch präsentieren konnten, nur um dann um eine Ecke zu biegen und noch einmal eine leichte Steigung zum Zieleinlauf vor sich zu haben und dann gefühlt nur noch auf der Stelle zu treten – eine wunderbare Gelegenheit, seinen Puls noch einmal in ungeahnte Höhen zu treiben. Von den elf Wehrsdorfer Starterinnen und Startern kamen alle ohne Fehlstempel ins Ziel. Auch die Platzierungen können sich durchaus sehen lassen, auch wenn möglicherweise der eine oder die andere nicht voll zufrieden ist. Besonders die Direkt mittel lang war fest in unserer Hand. Alle drei kamen unter die besten fünf. Zur besseren Übersicht befindet sich am Ende noch einmal eine Tabelle mit allen Ergebnissen.

Um mal eine viel genutzte Ballsportfloskel zu bemühen: Nach dem Lauf ist vor dem Lauf. Und so wurde noch mit dem Schweiß der Deutschen Meisterschaft auf der Stirn der Staffellauf vom Sonntag geplant. Letztlich war der Planungsaufwand nur gering denn die Startreihenfolge war schnell festgelegt und wir konnten zur Regeneration übergehen. Für absolut erwähnenswert halte ich noch einen Verkaufsstand, der extra aus Bayern angereist war und dort fleischliche Genüsse feilbot. Neben der allseits bekannten und beliebten Curry-Wurst gab es auch Spanferkel mit Salat, wirklich sehr, sehr lecker und sehr, sehr reichlich.

Der erste Wettkampftag endete wie der Tag der Anreise, in der Sportbar, bei Fachsimpeleien rund um den Orientierungslauf, leckeren Burgern und isotonischen Getränken. Diesmal jedoch, wie es sich für Naturmädel und -burschen gehört, draußen im Freien.

Auch der Staffelsonntag begann mit sonnigem, wenn auch kühlem Wetter. Wegen des früheren Starts war die Frühstückszeit leider begrenzt. Zu meiner großen Beruhigung demonstrierte der Veranstalter vor dem scharfen Start den Ablauf des Staffelrennens. Insgesamt gingen 85 5er-Staffeln an den Start. Pünktlich um 10.00 Uhr begab sich André als erster Läufer auf seine lange Strecke. Nach etwa der Hälfte verlief alle Kurse auf einer ungefähr 200 m langen, fies ansteigenden Passage für alle sichtbar direkt am Zielbereich vorbei. Ich kann mich nicht erinnern, einen Läufer dort gehen gesehen zu haben. Alle versuchten, diesen Anstieg laufend zu nehmen, auch wenn in den meisten Gesichtern deutlich der Schmerz geschrieben stand und auch die eine oder andere Träne vergossen wurde. Anschließend verschwanden die Läufer wieder im Wald bis sie die gleiche Zielstrecke vom Vortag heruntergelaufen kamen, um an den nächsten Läufer zu übergeben. André reihte uns nach einem ausgezeichneten Lauf auf Rang 25 ein. Ich ging als zweiter an den Start. Zunächst zog sich die Strecke ca. 200 m leicht bergan über eine Wiese, um dann steil in ein Tal abzufallen. Dem Rat des Teams folgend ging ich den Lauf eher vorsichtig an, was mich jedoch nicht davor bewahrte, völlig entgegen den sächsischen Gepflogenheiten, zu weit links vom Posten anzukommen. Aber mit Hilfe der wirklich guten Karte bemerkte ich meinen Faux pas recht schnell (wobei „schnell“ natürlich relativ ist!). Irgendwie hatte ich wider allen (besseren) Wissens auf die positiven Effekte der Superkompensation (https://de.wikipedia.org/wiki/Superkompensation) gehofft, die sich natürlich NICHT einstellte. Die Sichtstrecke quälte ich mich unter Aufbringung der letzten Reserven hoch, nur um mich dann, außer Sicht, verzweifelt nach Luft ringend zu fragen: „Warum?!?“. Die restlichen drei Posten waren dann aber schnell gefunden und ich konnte, nachdem mich noch ein H60-Läufer überholt hatte, an Cathleen übergeben, die schon ungeduldig mit den Hufen scharrte. Leider verloren wir durch mich einige Plätze. Cathleen konnte wieder einen Platz gut machen und übergab an die Rakete Poldi, der sage und schreibe 12 (in Worten: zwölf) Ränge nach vorn stürmte. Er wechselte an unseren Schlussläufer René. In seiner gewohnt soliden Art beendete er als 33er den Lauf. So ist abschließend festzustellen, dass das OL-Team Wehrsdorf zu den 33 besten Staffeln Deutschland zählt. Respekt!

Letztlich bleibt nur noch zu sagen, dass das Wochenende trotz des recht hohen Aufwandes ein voller Erfolg war. Alle waren sich einig, dass die Strecken toll gelegt waren. Auch sportlich konnten sich die Ergebnisse durchaus sehen lassen. Das Wetter war superklasse und ich muss wieder einmal betonen, dass wir das beste Wehrsdorfer OL-Team der Welt sind! Sport frei!

Ein paar schicke Schnappschüsse sind unter https://www.flickr.com/photos/donbalzi/albums/7215769610381000/ im Netz.

Name Bahn Länge Platzierung Laufzeit Abstand zum Sieger
Bettina D 60 4,6 km 8 01:15:40 + 26:39 min
Leopold H 14 4,4 km 6 00:33:04 + 05:19 min
André H 40 8,8 km 7 01:15:51 + 15:44 min
Sebastian H 40 8,8 km 15 01:52:42 + 52:35 min
René H 45 8,0 km 24 01:14:37 + 19:13 min
Ludwig H 45 8,0 km 39 01:34:07 + 38:43 min
Henning H 45 8,0 km 40 01:42:19 + 46:55 min
Klaus H 60 6,1 km 23 01:28:12 + 37:50 min
Florian Dirml 3,7 km 1 00:29:48  
Cathleen Dirml 3,7 km 3 00:36:57 + 07:09 min
Josef Dirml 3,7 km 5 00:42:11 + 12:23 min